Menschen sterben wegen der Leitlinien
Viele Menschen sterben und sind schon gestorben wegen der Leitlinien. Ärzte sollen nach offiziellen Leitlinien arbeiten. Das sichert eine gewisse Qualität in der Versorgung. Ärzte sind aber auch Menschen. Und diese neigen dazu, sich zu verlassen auf gewisse basics. Natürlich arbeite auch ich nach Leitlinien oder wie man so schön sagt, leitlinienkonform.
Was ist aber, wenn es keine passende Leitlinie für den „Fall X“ gibt?
- Sollen wir dann den Menschen passend machen für die Leitlinie oder die Leitlinie passend machen für den Menschen?
- Sollen wir uns dann daran festhalten, daran orientieren oder von der Leitlinie abweichen?
- Was dürfen wir, was dürfen wir als Ärztinnen und Ärzte denn nun?
Geht es in unserem Gesundheitssystem auch noch um Individuen und Menschen oder um Standardisierung, um Management vs. Qualität, geht es um die Jagd nach Zertifikaten? Ist man dann noch gerne Arzt? Arbeitet man dann noch gerne und gut, wenn es nur noch um Ziffern, Punkte, Dokumentation und QM-Ablage und EU-Gesetze, Laborreformen und noch mehr Bürokratie geht?
Wir sollten alle sehr gut auf uns aufpassen, wenn z. B. eine Vorsorgeuntersuchung für eine Frauangeblich leitliniengerecht durchgeführt wird, wenn die Tastuntersuchung beider Brüste dementsprechend nur zwei Minuten dauern darf.
Ich persönlich kann mich da in diese Rekordzeit nicht einreihen, ich brauche für eine dementsprechende Untersuchung viel länger, und ich möchte mir diese Zeit auch nehmen dürfen. Vielleicht sprechen Sie mit Ihren Ärztinnen und Ärzten auch mal über diese Thematik und investieren womöglich auch etwas mehr Zeit und ggfls. wenn nötig und möglich auch mehr Geld in Ihre eigene Gesundheit. Unser Gesundheits-System ist an sich nicht schlecht im internationalen Vergleich, deckt aber nur eine gewisse Bandbreite ab.
Herzlichst, Ihre
Dr. med. Carola Baisse